Diesen Monat trete ich meinen neuen Job an. Ein Job, der zu meinem persönlichen Profil und meiner bisherigen Berufserfahrung passt. Bei einem Unternehmen, dass viele nette Kollegen vorweist und mir eine interessante Aufgabe angeboten hat. Eigentlich der perfekte Job – es gibt aber einen (kleinen) Nachteil: mein neuer Arbeitsplatz ist in Böblingen.
Wer jetzt auf Google Maps schaut, wird sich sagen: die Strecke Pforzheim – Böblingen ist jetzt nichts Besonderes. Es gibt Leute, die haben einen wesentlich weiteren Weg zur Arbeit.
Das mag stimmen. Für mich als Nicht-Autofahrer verweist das aber auf die öffentlichen Verkehrsmittel, insbesondere auf die Deutsche Bahn. Jetzt möchte ich nicht in ein Bahn-Bashing verfallen, denn nach meiner Erfahrung hat das die Bahn eigentlich auch nicht verdient. Für meine konkrete Situation muss ich aber anführen, dass mich mein täglicher Arbeitsweg unter günstigen Umständen von Tür zu Tür 4 bis 5 Stunden kosten würde. Für eine regelmäßige Pendelei ist mir das eigentlich zu viel Zeit.
In meinem letzten Job im Karlsruher Westen habe ich schon eine tägliche Fahrtzeit von zweieinhalb Stunden in Kauf genommen. Das mag nicht lange erscheinen. Man muss dabei aber auch anführen, dass diese Zeit zu Last-Zeiten des Nahverkehrs stattfinden – also zu einer Zeit, in der viele andere Arbeitnehmer, Schüler und Studenten ebenfalls unterwegs sind.
Entsprechend befinden sich die Bahnen am oberen Ende ihrer Kapazität. Das heißt; Sitzplatz nur mit viel Glück und dann sehr beengt. In solchen Situationen reichtes dann auch schon aus, wenn nur einer oder zwei der Mitfahrenden sich nicht an die eine oder andere gesellschaftliche Konvention hält und z.B. im wärmsten Sommer sein tagesaltes Zwiebel-Met-Brötchen isst. Und wo ich auch gerade bei diesem Thema bin: für Mitreisende ist laute Musik auch dann sehr störend, wenn sie aus schlecht abgeschirmten Ohrstöpseln kommt – da hilft auch kein Apfel-Logo.
Um dieser Pendelei zu entgehen und trotzdem diesen Job antreten zu können, habe ich mich also dazu entschieden nach Böblingen zu ziehen. Jetzt sind die Mieten in Böblingen aber doppelt so hoch wie in Pforzheim – und das ist keine rhetorische Übertreibung, sondern tatsächlich die harte Realität. Pforzheim ist zwischen den Ballungsräumen Karlsruhe und Stuttgart so etwas wie die letzte Insel mit vergleichsweise günstigen Mieten (im Maßstab Baden-Württembergs natürlich). Keine Ahnung, woran das genau liegt. Vielleicht ist es der recht hohe Ausländer-Anteil, vielleicht die hastig nach dem 2. Weltkrieg wiederaufgebaute und allgemein als sehr hässlich empfundene Innenstadt? Vielleicht liegt es auch daran, dass wir vor einigen Jahren einen als besonders schmierig und korrupt empfundenen Politiker hervorgebracht haben, der um ein Haar Landesvater geworden wäre.
(Zum Glück gab es da in Japan diese Katastrophe mit diesem Atomreaktor, die knapp Neunzehntausend Menschen das Leben gekostet und dadurch dafür gesorgt hat, dass man bei uns die Idee, das bereits beschlossene Ende der Nutzung von Atomenergie plötzlich doch nicht mehr umzusetzen, für eine sagenhaft blöde Idee hielt. Wir lernen also doch aus unseren Fehlern. Leider muss man uns die Konsequenzen daraus immer nur sehr krass vor Augen führen).
Eine alternative Wohnsituation musste also gefunden werden. Pension oder Hotel kann ich mir dann doch nicht leisten. Gleich umzuziehen war wie gesagt wegen der hohen Mieten und des Rest-Risikos – vielleicht findet mich mein euer Arbeitgeber innerhalb der Probezeit doch nicht so toll oder die neuen Kollegen haben an meinen Probetagen einfach eine Oscar-würdige Show hingelegt. Was liegt da näher als in eine Wohngemeinschaft zu ziehen?
Natürlich gab es viele Unken-Rufe. Über die Risiken, die die unbekannten Mitbewohner darstellen („Die futtern dir den Kühlschrank leer“). Bis zur vermeintlichen Degradierung zu einem Mieter zweiter Klasse („Da feiern sie die ganze Nacht laute Partys und du kannst nicht schlafen“). Aber ich habe schon vor Jahren gelernt, dass man auf solche Aussagen nicht hören darf.
Die Suche nach der passenden WG war dann aber doch aufwendiger, als ich mir gedacht hatte. Zum einen gibt es im Raum Böblingen-Sindelfingen nur eine begrenzte Menge an ausgeschriebenen Zimmern, die selbst für den dortigen Mietspiegel im Verhältnis liegen. Zum anderen reagieren viele der Vermieter nur sehr träge oder gar nicht.
Es gab natürlich auch die Zimmerangebote, die zu schön waren um wahr zu sein (für Insider: 30qm Zimmer am Böblinger Flugfeld in einer 120qm Penthaus-Wohnung für unter 400 Euro). Da stellte sich dann aber schon nach einem kurzen Telefonat heraus, dass ich für den Vermieter das falsche Alter und – für ihn viel schlimmer – das falsche Geschlecht hatte.
Ich habe mir dann doch immerhin ein halbes Dutzend Zimmer angesehen. Hier war dann die Spanne von Du-liebe-Güte bis Ok-nehme-ich. Und ich bin froh, dass mich meine Vermieter auch genommen haben, denn die Qualität der nächstbesseren Wohnung fiel ehrlich gesagt schon stark ab.
Und jetzt bin ich also plötzlich WGler. Das Nötigste zur Einrichtung habe ich mir schon bei IKEA gekauft. Bleibt noch abzuwarten, was mir noch so als Fehlend auffällt. (Nachtrag: Alexa! Mir fehlte zum Einzug Alexa. Eigentlich schon wieder irrwitzig.)
Hoffentlich stören sich meine Mitbewohner nicht an meinen lauten Partys und daran, dass ich ihnen ständig das Essen wegfuttere.