Eigentlich sollte ich mich nicht zu einer Einschätzung hinreisen lassen, wie viel der Musik aus meinem alltäglichen Konsum sich rum um das Thema Liebe, Lust und Leidenschaft dreht. Sicherlich mehr als die Hälfte. Daran ist eigentlich auch nichts falsch. Diese Songs haben meist einen flotten Beat, eine mitreißende Hook und einen eingängigen Refrain. Wie dafür gemacht, um sie immer wieder zu hören, dazu zu tanzen und vielleicht auch laut mitzusingen.
Die Lyrics sind dabei erstmal nicht wichtig. Oft höre ich gar nicht so genau hin. Wenn etwas Griffiges und Eingängiges dabei ist, das sich mitsingen lässt, genügt mir das schon. Musikstreaming hat hier seinen Teil dazu beigetragen. Da Musik für mich so allgegenwärtig verfügbar und in riesigen Mengen konsumierbar ist, ist das einzelne Lied oftmals belangloser geworden. So mancher Song will das auch so und ist daher genau für den Massengeschmack produziert.
Manchmal dringt ein Text doch zu mir durch. Vielleicht achte ich in einem unbedachten Moment doch genauer auf seinen Inhalt. Vielleicht lässt mich mein Hirn aber auch mal über eine Widersprüchlichkeit stolpern. Wie etwa, als „Every Breath You Take“ vom weiblichen Teil meines Umfeldes als ultimativ-romantischer Song gekennzeichnet wurde. Für mich war es der ultimative Wiederspruch: warum denkt sich ein Musikantenkombinat namens „Die Polizei“ rum um ihren Sänger „Stachel“ ein vermeintliches Liebeslied aus?
Manchmal muss man einfach auch mal mit der Nase auf die Bedeutung von Texten gestoßen werden. Im Unterhaltungsradio wie z.B. dem SWR3 passiert das ab und an. Oder durch Bands wie den „Poems on the Rocks“.Und damit komme ich endlich zum Kern dieses Beitrags: Diese Band habe ich letzthin in Renningen live gesehen und war begeistert. Auch das war wieder eher ein Zufall, denn Renningen liegt ob meiner Autolosigkeit eher nicht in meinem Aktionskreis. Eine Freundin hatte sich dafür interessiert und ich habe mich kurzentschlossen einfach an sie angehängt und als Fahrservice missbraucht. Sie konnte dann nicht mehr anders (an dieser Stelle nochmal ein Danke), was wir beide aber zu keinem Zeitpunkt bedauert haben.
Die Poems covern im Grunde herausragende Songs der Rockgeschichte. Statt diese Songs einfach nur nachzuspielen, kombinieren sie die Lieder mit einer deutschsprachig poetischen Version des Liedtextes. Das sind nicht nur einfache Übersetzungen der Texte, sondern eigenständige Werke literarischer Güte, die mit der Macht moderner Schauspielerei vorgetragen werden. Wenig überraschend ist Jo Jung als Sprecher und „Actor“ auch die beeindruckendste Person auf der Bühne. Das klingt jetzt ein bisschen unfair, da auch seine Bandkollegen eine großartige Performance abgelegt haben. Insbesondere das Drum-Solo von Helmut Kipp war dazu geeignet, Teile von Unterwäsche auf die Bühne fliegen zu lassen. (Herrenunterwäsche und der geneigte Leser macht sich nun besser kein Kopfkino).
Ich kann einen Besuch eines Konzertes der Poems nur empfehlen. Es handelt sich hier um eine der eher kleinen und vielleicht auch nur regional bedeutsamen Bands, die zudem keinen großen medialen Wirbel um sich herum gestalten (sogar ihre CDs verkaufen sie nur über ihre Website). Mir hat ihr Konzertbesuch nicht nur Spaß gemacht. Ich sehe seit diesem Abend auch das eine oder andere Lied wieder durch eine weitere Brille. Vielen Dank dafür. Und wer von nun an auf einen Auftritt der Poems stößt und sich die Frage stellt, ob er dafür eine Karte kaufen soll, dem kann ich sagen: Ja, kauf dir eine Karte und geh hin. Das lohnt sich.